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Wort des Bischofs zum 1. Januar 2023

Auszüge aus dem Hirtenbrief

Ausschnitt aus der Titelseite des Hirtenbriefs
Ausschnitt aus der Titelseite des Hirtenbriefs

„Wir alle sind Suchende und brauchen einander auf dem gemeinsamen Weg des Christseins.“

Aus dem Wort des Bischofs zum 1. Januar 2023

I Verbundenheit und Solidarität mit den Menschen in der Ukraine
„So verbindet uns, was für unser Leben in Freiheit schlicht und ergreifend nicht verhandelbar ist: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘ Diese ersten Worte des Grundgesetzes, in denen auch der Kerngehalt des christlichen Menschenbildes zum Ausdruck kommt, sind das Fundament unserer Gesellschaft. Ich appelliere an uns alle, weiter gemeinsam dafür einzutreten, dass nicht die Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid anderer siegt. Lassen Sie uns „Ja“ sagen zu einer Menschlichkeit, die dem Recht des Stärkeren widersteht, lassen Sie uns „Ja“ sagen zu widerständiger Menschlichkeit und zur Stärke des Rechts.“

II Derzeitige Belastungen und Existenzängste
„In den kommenden Monaten und Jahren werden mit hoher Wahrscheinlichkeit noch größere Belastungen auf uns zukommen. Wir können sie nur gerecht und solidarisch schultern. Darauf müssen wir uns vorbereiten. … Es ist das gefährliche Kalkül von Autokraten wie Wladimir Putin, dass wir in schweren Zeiten nicht bereit sind, für unsere Werte einzutreten und sie uns etwas kosten zu lassen – im wahrsten Sinne des Wortes.“

III Demokratie und Vertrauen
„Es ist unsere Aufgabe, diese Demokratie lebendig zu halten. Sie ist keine „Diktatur der Mehrheit“, sondern steht für Freiheit, für den Schutz der Menschenrechte, für die Sicherheit eines Rechtsstaates. Das darf uns nicht gleichgültig sein. Als Christinnen und Christen müssen wir öffentlich, laut und deutlich für eine robuste Demokratie eintreten, indem wir die Rechte und Werte verteidigen, die unsere Gesellschaft stark machen. … Es geht darum, sich aus innerer Freiheit und Überzeugung den „guten Sitten der Demokratie“ verpflichtet zu wissen. Dazu gehören Fairness, Respekt gegenüber allen Menschen, Toleranz, Ehrlichkeit, Mut zur Kontroverse, Gemeinsinn und die Orientierung am Gemeinwohl.“

IV Synodalität in der Kirche
„Synodalität leitet sich ab vom griechischen Wort des „gemeinsamen Weges“. Das bringt zum Ausdruck: Es geht nicht um ein konkurrierendes Gegeneinander von „Regierung“ und „Opposition“, sondern um einen gemeinsamen Weg von Menschen, die sich im Glauben verbunden wissen trotz allem, was sie unterscheidet. … Es muss vorab nicht festgelegt werden, wie er genau zu beschreiten ist und welchen eindeutigen Verlauf er zu nehmen hat. … Dabei erlaubt unser Glaube Vielfalt und erweist sich gerade durch seine Weite und Offenheit als wirklich reich. … Nicht nur unsere Kirche, sondern die Christenheit insgesamt befindet sich in einer tiefen Krise. … Darum haben wir eine große Verantwortung, unsere Kirche nicht einfach dem Verfall zu überlassen, sondern gemeinsam daran zu arbeiten, die wesentliche Botschaft des Christentums in unsere Zeit zu übersetzen.“

V Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt
„Eine eigene Studie zum sexuellen Missbrauch in der Geschichte des Ruhrbistums wird im Februar 2023 veröffentlicht. … Sie wird wahrscheinlich auch zeigen, dass es bei uns ähnlich war wie anderswo: Unter dem Deckmantel von Religion und Glaube sind Verbrechen begangen worden. … Vor allem die Begegnungen mit den Betroffenen sexualisierter Gewalt haben mir die Augen geöffnet. Die Verbrechen haben zu tun mit grundsätzlichen Missständen in der katholischen Kirche. Es wundert mich deshalb nicht, dass Zorn und Wut bei vielen Menschen so groß sind. Der Vertrauensverlust ist enorm. Dem können wir nur noch eine radikale und ganzheitliche Erneuerung entgegensetzen. … Das Zweite Vatikanische Konzil hat neue Wege gewiesen, die dieser Erneuerung der Kirche dienen. … Darum mache ich mich stark für eine Kirche, die sich erneuert. Ich mache mich stark für eine Kirche, in der jeder Mensch spürt, von Gott geliebt und gewürdigt zu sein – und in der er ein erfülltes Leben in Freiheit führen kann. Ich mache mich stark für eine Kirche, die widerständig menschlich ist. …
Dafür braucht es neben aller persönlichen Entschiedenheit vor allem das Vertrauen in den Heiligen Geist, mit dem Gott uns alle auf unseren Wegen stärkt. Seine Gaben und sein gutes Geleit erbitte ich Ihnen, Ihren Familien und allen Menschen, mit denen Sie leben.

Mit herzlichen Grüßen und allen Segenswünschen
Ihr
  + Dr. Franz-Josef Overbeck
          Bischof von Essen"

 

Zusammenstellung der Zitate aus dem Brief: M. Berretz

Zum Original "Wort des Bischofs" (PDF-Datei)

 

(Berretz)